Das deutsche Steuerrecht sieht diverse Regelungen vor, welche die Besteuerung von Vermögenszuwächsen im Inland sicherstellen. Eine Kernvorschrift stellt die sog. Wegzugsbesteuerung nach § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) dar. Wandert ein Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft aus, ruft dies grundsätzlich das Finanzamt auf den Plan. Die drohende Steuerbelastung kann bei vorausschauender Planung allerdings vermieden werden.
Der Grund für die Erhebung der „Wegzugsteuer“:
Die „Wegzugsteuer“ wird erhoben, da auf Grund des Wegzugs eine spätere Veräußerung der Anteile an der Kapitalgesellschaft in Deutschland nicht mehr besteuert werden darf. Daher besteuert Deutschland im Zeitpunkt des Wegzugs die bis dahin eingetretene Wertsteigerung in den Anteilen.
Der Anwendungsbereich der Wegzugsbesteuerung:
Die Wegzugsbesteuerung greift, wenn eine im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Person eine wesentliche Beteiligung (≥ 1 % innerhalb der letzten fünf Jahre) an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft im Privatvermögen hält und ins Ausland verzieht.
Für die Erfüllung der unbeschränkten Steuerpflicht in diesem Sinne muss der Betroffene innerhalb der letzten zwölf Jahre mind. sieben Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sein.
Der Wegzugstatbestand wird durch die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht infolge der Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts verwirklicht. Besteht in Deutschland weiterhin eine Wohnstätte, wird die Wegzugsteuer zwar nicht unmittelbar ausgelöst, jedoch kann auch die schleichende Verlagerung des Mittelpunkts der Lebensinteressen ins Ausland dazu führen.
Neben dem klassischen Anwendungsfall des Wegzugs wird auch die unentgeltliche Anteilsübertragung auf eine Person, die im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, von der Wegzugsbesteuerung erfasst. Dies kommt beispielsweise häufig vor bei der Schenkung an ein im Ausland lebendes Kind und sollte daher im Rahmen einer optimalen Nachfolgeplanung berücksichtig werden.
Die Folgen der Wegzugsbesteuerung:
Werden die Voraussetzungen des § 6 AStG erfüllt, unterliegen die bis zum Zeitpunkt des Wegzugs entstandenen Wertzuwächse (stille Reserven) in den Anteilen an der Kapitalgesellschaft in Deutschland der Besteuerung und das, obwohl keine tatsächliche Veräußerung erfolgt.
Zu bedenken ist, dass der Unternehmer dabei tatsächlich keinen Veräußerungsgewinn erzielt, aus dem er die anfallende „Wegzugsteuer“ (Einkommensteuer zzgl. Solidaritätszuschlag und ggfs. Kirchensteuer) begleichen könnte. Es erfolgt also eine Besteuerung ohne Liquiditätszufluss (sog. „Dry-Income“).
Bis 2021 konnte bei einem Wegzug innerhalb der EU oder des EWR die Wegzugsteuer zinslos gestundet werden, bis die Anteile tatsächlich veräußert wurden. Dies ist aktuell nicht mehr möglich, die Wegzugsteuer kann allerdings auf Antrag in sieben gleichen Jahresraten entrichtet werden, wenn dem Finanzamt eine Sicherheitsleistung gewährt wird.
Der „AStG-Blocker“ zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung:
Um eine Wegzugsbesteuerung zu vermeiden, kann ein „AStG-Blocker“ implementiert werden. Bei diesem Modell werden die Anteile an der Kapitalgesellschaft in eine GmbH & Co. KG eingebracht. Diese GmbH & Co. KG erbringt dann in nicht unerheblichem Umfang Dienstleistungen an die Kapitalgesellschaft, z.B. Management- und Verwaltungsleistungen.
Erfüllt der „AStG-Blocker“ die Voraussetzungen der Finanzverwaltung, verhindert die Struktur, dass beim Wegzug des Gesellschafters die stillen Reserven in den Anteilen an der Kapitalgesellschaft besteuert werden. Allerdings sind auch künftige Wertsteigerungen bei einem späteren Verkauf der Kapitalgesellschaft in Deutschland steuerpflichtig.
Das Fazit:
Zieht ein unbeschränkt einkommensteuerpflichtiger Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft in Betracht, auszuwandern, sollte er unbedingt rechtzeitig an die Wegzugsbesteuerung des § 6 AStG denken und Möglichkeiten zu dessen Vermeidung prüfen (lassen). Damit kann auch für Unternehmer der Wegzug ins Ausland ohne erhebliche Steuerbelastung möglich sein.